MEDIZIN | Covid-Update

Wenn die Impfquote schwächelt …

... ist guter Rat gefragt! Dr. Peter Klar hat in „seiner Gemeinde“ eine vorzeigbar hohe Beteiligung an der Corona- Schutzimpfung erzielt. Im Gespräch gibt er Einblick, wie das gelungen ist.

Dr. Peter Klar ist Arzt im Ärztezentrum Wienerwald und Bürgermeister in der niederösterreichischen Gemeinde Laab am Walde. Damit ist er gleich in einer Doppelfunktion für die erfreuliche Impfbeteiligung „zuständig“: Nach Angaben des Impfdashboards – abgerufen am 21. September 2021 – haben 78 % der 869 Menschen mit Hauptwohnsitz in dieser Gemeinde eine Teilimpfung erhalten und 75,76 % sind vollimmunisiert.


?Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?

Ich denke, das ist ein Mindset, den wir aber auch aufgrund der Gemeindegröße haben. Mit so wenigen Einwohnern kennt man sich. Wie haben unsere Schäfchen gut im Blick und einen sehr direkten Zugang zu den Bürgern.


?Aber einen Grund muss es doch geben, andere kleine Gemeinden haben eine ge- ringere Impfbeteiligung?

Wir haben sehr früh erkannt, dass der Fokus der Menschen trotz der Pandemie nicht auf der Gesundheit und der nötigen Impfanmeldung liegt. Hier passiert nichts von selbst. Wir haben die Bürger aktiv über das Gemeindeamt kontaktiert, vor allem ganz zu Anfang, als noch im Raum stand, dass Impfdosen übrig bleiben. Hier haben wir viel Flexibilität und aktive Mithilfe angeboten, um wirklich jeden Einzelnen zu überzeugen, dass die Impfung wichtig ist. Zu Beginn musste man zum Teil auch längere Anfahrtswege zu einem Impf- zentrum in Kauf nehmen und auch hier haben wir die Werbetrommel gerührt.

Wer bis nach Salzburg zu den Festspielen fahren kann, wird es auch 30 Kilometer zum Impfen schaffen.


?Wie sind Sie konkret vorgegangen?

Wir haben mit der älteren Generation gestartet und sie bei der Online-Anmeldung unter- stützt. Es ist immer noch wichtig, dass die Menschen selbst diesen Schritt gehen, denn nur wenn sie sich aktiv für diesen Termin entscheiden, dann kommen sie auch und die Compliance passt. All jene, die signalisiert haben, dass sie sich nicht gut auskennen

oder gar keinen Computer haben, konnten sich über das Gemeindeamt anmelden. Wir wissen ja ohnehin, welche Einwohner hier Hilfe benötigen, zum Beispiel wenn sie nicht mobil sind. Da haben wir innerhalb der Gemeinde ein aktives Team, das bei der Organisation top dabei war. Bis zu ei- nem gewissen Grad bekommt das dann auch eine Eigendynamik und die Nachbarn geben die Information weiter. Für übrig gebliebene Dosen ha- ben wir jüngere Leute motiviert, im Fall des Falles rasch einzuspringen, auch das hat gut geklappt. Und vielleicht hat es auch einen Vorteil, dass ich selbst Covid-Patienten im Spital in St. Pölten betreut habe und sehr früh geimpft war. Das hebt sicher auch das Vertrauen.


?Sie haben als Arzt und Bürgermeister schon einen Startvorteil. Was kann ein Gemeindearzt sonst tun?

Ich glaube, der große Vorteil ist die Größe. Ich benötige keine Liste, um Menschen anzusprechen. Ich kenne meine Patienten, da ist der Daten- schutz nicht relevant. Wir sind gut vernetzt und immer erreichbar, das macht vieles leichter.


?Welche Tipps haben Sie?

Es ist wichtig, Kontakt aufzunehmen – auch bei anderen Aktionen, wo Menschen zusammenkommen. Man tauscht sich aus, hilft zusammen, macht etwa auch Aktionen mit Nachbargemeinden und weiß ja, wo sich ältere Mitbürger aufhalten. Natürlich waren Ärzte in der Pandemiezeit selbst gefor- dert, den Betrieb aufrechtzuerhalten und die vielen Anfragen zu beantworten. Ich habe die Impforganisation zum Teil delegiert – an Vereine, klassi- sche Strukturen, die es in der Gemeinde gibt und die gut vernetzt sind. Rettung, Feuerwehr oder Seniorencafé – es gibt immer Möglichkeiten!


?Worauf ist sonst zu achten?

Mir ist wichtig zu überzeugen, nicht zu überreden. Man muss vielen Menschen die Angst nehmen und das geht durch Gespräche. Es gilt hier, nicht Druck zu machen, manche haben einfach ein paar Wochen gebraucht und sind dann von selbst gekommen.


?Wie lautet Ihr Wunsch für den Herbst in Sachen Corona?

Ich wünsche mir eine hohe Impfrate im ganzen Land. Wir müssen damit leben, dass es auch andere Erkrankungen gibt und der Fokus nicht nur auf Corona liegen darf. Wir können mit einzelnen Erkrankungen gut umgehen, das Gesundheitssystem kann viele Patienten sehr gut versorgen, aber der Weg zu einem „normalen Leben“ ist einfach nur durch die Impfung möglich. Unser Immunsystem ist ganz gut dabei, sich anzupassen, aber diese Grundimmunisierung benötigen wir, damit wir für den Ernstfall trainiert sind.


?Ist eine Impfpflicht die Lösung?

Ich denke, das ist nicht umsetzbar und es trifft auch nicht den Kern. Es gibt nur ganz wenige Menschen, die wirklich die Impfung verweigern. Die kann man nicht zwingen. Aber es heißt nicht, dass man nicht lenken darf. Wer zu unserem Gemeinschaftsprojekt „Pandemie“ nichts beiträgt, indem er durch die Impfung das Risiko verkleinert, der muss seinen Beitrag leisten, indem er eben auf andere Freiheiten verzichtet. Es verhalten sich

nicht alle so, wie wir es uns wünschen, aber das muss eine gute Gesellschaft aushalten. Ich hatte erst kürzlich einen zwölfjährigen Burschen, der einfach Angst vor Nadeln hat und wir haben ihn mit einem Therapeuten und einem Kinderarzt gemeinsam auf den Stich vorbereitet. Das sind die echten Hel- den der Pandemie – sie haben Angst, aber sie wissen, dass sie einen ganz wichtigen Schritt machen. An diesem Jungen sollten wir uns ein Beispiel nehmen!

foto: ZVG