MEDIZIN | Beckenboden 

Das chronische

Beckenboden-

schmerzsyndrom

FOTO: Iistockphoto/ MachineHeadz, zvg

Schmerzen im Beckenbodenbereich führen zu einer Be- einträchtigung der Lebensqualität. Therapiemöglichkei- ten der Physikalischen Medizin bei Mann und Frau

schaffen Abhilfe.

Die Beckenbodenmuskulatur hat sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine wesentliche Funktion zur Sicherung der Harn- und Stuhlkontinenz. Die Muskulatur soll kräftig ausgebildet sein, um die Eingeweidelast gut tragen zu können. Sie spielt eine wichtige Rolle als orgastische Manschette und ist für den Erhalt der Erektion und die Ejakulation des Mannes notwendig.


Eingeschränkte Lebensqualität

Schmerzen im Beckenbodenbereich führen sowohl zu einer deutlichen Einschränkung des täglichen Lebens wie auch des Intimlebens. Patienten mit Schmerzen versuchen diese zu vermeiden, was zu einer häufigen Belastung der Paarbeziehung führt und zu einer sozialen Isolation. Die Un- möglichkeit langen Sitzens, Einschränkungen der Freizeitaktivitäten und das oftmalige Aufsuchen der Toilette führen Patienten mit chronischen Be- ckenbodenschmerzen zum Arzt. Der Abklärungsweg ist oft lang und führt die Patienten zu den verschiedensten Fachrichtungen, wobei der Aus- schluss anderer organischer Ursachen vor Zuweisung zur Physikalischen Medizin von großem Vorteil ist. Die Zuweisungsdiagnosen zur Physikali- schen Medizin und Rehabilitation lauten zumeist OAPV (Overactive Pelvic Floor), CPP (Chronic Pelvic Pain), Prostatadynie, Dyspareunia und viele andere. Mehr als 30 Diagnosen sind damit assoziierbar.


Der Weg aus dem Schmerz

Das ausführliche therapeutische Gespräch, mit ausreichend Zeit, schmerzverstärkende und schmerzmodulierende Mechanismen zu identifizieren, hilft, das Vertrauen zwischen Patienten und Arzt zu stärken. Es ist die Basis, diese Patienten aus ihrer Schmerzspirale langsam herausführen zu können.

Zentrales Therapiemodul der Physikalischen Medizin stellt das Biofeedback dar, da die Patienten visuell die Funktion der Beckenbodenmuskulatur wahrnehmen können wie auch lernen, die häufig sehr großen Verspannungen der Muskulatur wahrzunehmen und zu reduzieren.

Ein weiteres, sehr modernes Therapiemodul ist die HRV (Heart Rate Variability). Diese Messung zeigt den Patienten in Echtzeit, ob eine Dysbalan- ce des vegetativen Nervensystems vorliegt, welche sehr häufig entweder die Ursache oder die Folge des chronischen Schmerzempfindens dar- stellt. Die Beeinflussung dieses Systems und die Regulierung von Sympathicus und Parasympathicus sind mit der HRV gut steuerbar. Patienten erlernen, mit ihrer Atmung sowie mit aktiver muskulärer Entspannung – zum Beispiel nach Jacobson – das System zu regulieren. Die HRV zeigt auch, ob das Erlernte gut umgesetzt werden kann.

Weitere Therapiemöglichkeiten stellen die schmerzfreie Behandlung mit INDIBA (Radiofrequenz), die physiotherapeutische Anwendung manueller Therapie und die Faszienbehandlungen dar. Die Radiofrequenz-Therapie ist eine moderne, nicht invasive Methode zur gezielten Gewebeerwär- mung, Steigerung des Zellstoffwechsels und Biostimulation des Gewebes. Die Durchblutung wird gefördert, die Muskulatur entspannt sich.


Ergänzende Therapien

Besonders hilfreich für den Erhalt des Therapieerfolges ist das Angebot elektro- therapeutischer Methoden als Heimtherapie. Die laufende Anwendung der Heimtherapie unterstützt Tonusregulation und Durchblutungsförderung, wo- durch das Schmerzempfinden oft anhaltend und deutlich verbessert werden kann. Diese Therapien können terminungebunden selbstständig durchgeführt werden, was von besonderem Vorteil für die Patienten ist.

Chronische Schmerzen sind ein multidimensionales Geschehen, das, wie hier aufgezeigt wurde, auf der Körperebene, emotional und kognitiv für die Patienten

belastend ist. Je nach Dauer der Leidensgeschichte, durch zusätzliche Belastungen im sozialen Umfeld oder bei auftretenden Depressionen kann es notwendig sein, im Sinne einer multidisziplinären Zusammenarbeit entsprechende Therapieleistungen anderer Fachdisziplinen wie Sexualthera- pie oder Psychotherapie den Patienten anzubieten.

Die Behandlung dieses Symptomkomplexes ist damit ein klassisches Beispiel einer personalisierten Medizin. Die Physikalische Medizin ist der zentrale Baustein dazu.