Immobilien | Baurechtseigentum
Bad Goisern setzt auf kostengünstiges und umweltfreundliches Bauen. Möglich ist dies durch Errichtung der Wohneinhei- ten auf einem Baurechtsgrundstück, das für die Dauer von 99 Jahren verpachtet wurde.
Leistbares Wohnen
Baurechtseigentum ist seit einigen Jahren vermehrt ein Thema für Wiener Bauträger. Das liegt daran, dass Grundstücke in begehrten Lagen, wie etwa an der Alten Donau, oft nicht anders verfügbar sind.
In vielen internationalen Metropolen wie zum Beispiel London, Moskau oder New York ist Baurechtseigentum gang und gäbe. Auch in Wien versuchen sich seit einigen Jahren Bauträger an dieser etwas komplizierten Thematik. Baurechtsei- gentum heißt, dass man zwar die Eigentumswohnung besitzt, nicht aber die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befin- det. Für die „Benützung“ derselben bezahlt man monatlich einen sogenannten Baurechtszins. Dieser kann die monatlichen Betriebskosten schon einmal um ein paar Hundert Euro oder mehr anheben. Das Institut Baurecht ist die moderne Form des Grundstücks-erwerbes und europaweit, beispielsweise in der Schweiz oder in Finnland, bereits weit verbreitet. In Ös- terreich spielte diese Art der Immobilienfinanzierung bisher nur eine Nebenrolle – drängt sich aber nunmehr verstärkt ins Rampenlicht.
Aufwand abschreibbar
Der Grund liegt auf der Hand: Die hohen Grundstückspreise, die man beim Baurechtseigentum nicht auf einmal zahlen bzw. finanzieren muss, sondern „scheibchenweise“ auf einige Jahrzehnte verteilt bezahlt. Dazu kommt noch der Wegfall von Finanzierungskosten, außerdem wird kein Gewinnaufschlag auf das Grundstück gemacht. Somit können auch Perso- nen, die über nicht so viel Kapital verfügen, Wohnungseigentum erwerben bzw. die Mietkosten fallen für den Mieter niedri- ger aus.
Wie sich das konkret rechnet? ÖKO-Wohnbau Geschäftsführer KR Mag. Wolfgang Stabauer kann mit einem Beispiel aus der Praxis aufwarten: „Durch ein Baurecht wird eine 50-Quadratmeter-Wohnung – abhängig vom Verkehrswert der Liegen- schaft – um mindestens 20.000 Euro günstiger. Für Mietwohnungen bedeutet das eine Reduktion der Nettomiete um rund 2 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zum ortsüblichen Preis von Neubauwohnungen.“ Für Investoren ergibt sich ein wei- terer Vorteil: „Der Baurechtszins kann als Aufwand abgeschrieben werden, ähnlich wie die Zinsen bei einer Fremdfinanzie- rung. Das gilt jedoch nur für Kapitalanleger, die ihre Wohnung vermieten.“
Vorsorgewohnungen sind aus heutiger Sicht ein teures Instrument. Man muss schon genau hinsehen, ob man sich eine herkömmliche Vorsorgewohnung kauft. Da sind einmal die Anschaffungskosten. Der Bauträger rechnet Finanzierungskos- ten und seinen Bauträgergewinn – den er nicht offenlegt – ein. Da sind wir schon leicht einmal bei Kosten von 25 Prozent. Das Ergebnis: hohe Mieten. „In der Erstvermietung ist das sicher kein Thema. Bei der Zweitvermietung lassen sich diese Spitzenmieten allerdings nur mehr schwer erzielen“, so Stabauer.
Höhere Erträge
„Speziell Klerus, Bundesforste, Gemeinden, aber auch Landwirte verpachten Grundstücke eher, als auch nur einen Quadratmeter zu verkaufen.“ Somit können auch etwaige Baulücken geschlossen werden. So gilt in Wien bei der Rot-Grünen-Koalition: „Baurechtseigentum statt Verkauf“ heißt das grüne Prinzip für leistbares Wohnen. Städtische Liegenschaften sollen künftig im Eigentum der Stadt Wien bleiben und für den sozialen Wohn- und Städtebau zur Verfügung stehen. Die politischen Ziele: Wo wertvolle Frei- und Kulturräume vorhanden sind, kann die Stadt nur als Eigentümerin nachhaltig gestaltend eingreifen; Flächenwidmungen sind für die wirklich langfristige Sicherung die- ser Räume ein zu kurz greifendes Instrument. Baurechte bieten der Stadt eine erweiterte Einflussnahme auf die Nutzung der vergebenen Grundstücke. So kann ein Baurechtsnehmer verpflichtet werden, binnen einer gewissen Frist eine definierte Nutzung oder ein bestimmtes Projekt umzusetzen.
Grundstückseigentümer stellen sich in Zeiten der Nullzinspolitik berechtigterweise auch die Frage, wie der Ver- kaufserlös werterhaltend wieder veranlagt werden kann. Der Baurechtszins von drei Prozent des Verkehrswertes einer Liegenschaft liefert auf alle Fälle höhere Erträge als derzeit viele Sparformen oder Versicherungen. „Das Geld, das sich der Bauherr erspart, kann er unter anderem in die Haustechnik und den Garten investieren.“ Aber auch private Eigentümer vergeben immer wieder Baurechte: Man hat regelmäßige Einnahmen und keinen Zores wie ein Vermieter. Auf den Punkt gebracht: kein Mietrecht, keine Thermenreparatur.
Vorteile für alle Beteiligten
Doch wie berechnet sich der Baurechtszins? Als Faustregel gelten für Einfamilienhausgründe drei bis vier Prozent des Marktwerts, die jedes Jahr in Form des Baurechtszinses anfallen. Der Baurechtsnehmer muss zu Beginn nur die Bau- und Planungskosten zahlen bzw. fremdfinanzieren. So entstehen je nach Lage und Bebauungsdichte Preisunterschiede von einigen Hundert Euro pro Quadratmeter. Verkauft der Grundstückseigentümer sein Land, ändert sich für den Baurechtsnehmer übrigens nichts. Das Baurecht, das ja im Grundbuch eingetragen ist, besteht unter dem neuen Eigentümer weiter.
Das Baurecht gilt auch bei Rechtsexperten als sinnvolle Alternative zur Bekämpfung der Wohnungsnot. RA Dr. Ge- org Karasek, Experte für Bau- und Immobilienrecht, der auch an der Universität Wien vorträgt, sieht im Baurecht ein zukunftsweisendes Modell für den Wohnbau: „Das Baurecht wurde in der Vergangenheit zu Unrecht stiefmütter- lich behandelt. Wer eine Wohnung in dieser Rechtsform erwirbt, steht rechtlich großteils auf derselben Seite wie ein Käufer einer frei finanzierten Wohnung. Für eine Zeitspanne von 100 Jahren, länger als die durchschnittliche Le- benszeit eines Menschen, kann der Baurechtsnehmer über die Wohnung verfügen. Im Grundbuch ist der Bau-
rechtsnehmer als Eigentümer der Wohnung, nicht des Grundstückes, eingetragen und hat ähnliche Rechte und Pflichten wie bei anderen Wohnungseigentumsformen. Der Hauptunterschied besteht in der geringeren Anschubfinanzierung.“
Den Baurechten auf den ersten Blick ähnlich sind Superädifikate. Dabei handelt es sich um ein Bauwerk auf einem fremden Grund. Das dazu notwendige Grundstück wird gepachtet. Das Baurecht bi- etet aber mehr Sicherheit. Im Gegensatz zum Baurecht kann das Su- per-ädifikat nicht im Grundbuch eingetragen werden.
Ein weiterer Vorteil: Der Baurechtszins ist an den Verbraucherpreisin- dex (VPI) gekoppelt und damit völlig unabhängig von der volatilen Preisentwicklung am Markt für Baugrundstücke. Die Pacht kann auch nicht vom Baurechtsgeber über den VPI hinaus willkürlich erhöht
werden. Der Baurechtsnehmer kann sein Bestandsverhältnis an Kinder und Enkelkinder vererben, er kann sein Haus samt bestehendem Vertrag aber auch verkaufen.
Läuft der Vertrag zum Beispiel nach 99 Jahren aus, so muss die Liegenschaft an den Grundeigentümer zurückge- stellt werden. Der Baurechtsnehmer erhält aber dafür 25 Prozent des Verkehrswertes. Es besteht aber natürlich auch die Möglichkeit, dass der Baurechtsnehmer die Liegenschaft erwirbt.
„Durch ein Baurecht wird eine 50-Quadrat- meter-Wohnung – abhängig vom Verkehrs- wert der Liegenschaft – um mind. 20.000 Euro günstiger.“
KR Mag. Wolfgang Stabauer, ÖKO-Wohnbau Geschäftsführer
„Das Baurecht wurde in der Vergangenheit
zu Unrecht stief-
mütterlich be- handelt.“
Rechtsanwalt Dr. Georg Karasek