Wundmanagement mit Blick nach vorn

 

Weiterbildung im Wundmanagement und interprofessionelle Zusammenarbeit sind die Schlüssel zu einer personenzentrierten Versorgung – insbesondere, wenn es um komplexe Wundsituationen geht.



Mag. Martina Kuttig, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft, Stv. Leiterin des Departments für Demenzforschung und Pflegewissenschaft, Donau-Universität Krems – Universität für Weiterbildung, martina.kuttig@donau-uni.ac.at, www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft



Mag. Martina Kuttig, Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft und stellvertretende Leiterin des Departments für Demenzforschung und Pflegewissenschaft an der Donau-Universität Krems – Universität für Weiterbildung, empfiehlt das Zertifikatsprogramm „Wundmanagement“ als fokussierte Weiterbildung für niedergelassene Ärzte und Pflegepersonal. Die Expertin erklärt, wie das Potenzial von Wundmanagement aktuell einzuordnen ist und wie Ärzte es effizient in ihren Ordinationsalltag einbinden können.

Wird in Österreich dem Thema Wund- und Narbenmanagement genügend Aufmerksamkeit geschenkt?

Obwohl in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt wurden, bleibt das Wund- und Narbenmanagement in Österreich ein Bereich mit erheblichem Entwicklungspotenzial. Insbesondere die Versorgung chronischer und komplexer Wunden ist häufig von heterogenen Strukturen geprägt. Es wird im Gesundheitssystem oft zu spät oder nicht umfassend genug adressiert. Es mangelt an flächendeckend implementierten, transprofessionellen Versorgungspfaden sowie an einer systematischen Einbindung spezialisierter Fachpersonen.

Für wen wäre eine Zusatzausbildung wie das Zertifikatsprogramm Wundmanagement geeignet?

Das Zertifikatsprogramm richtet sich an Angehörige der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie an Ärzte, die ihre Kompetenzen im Bereich des Wundmanagements erweitern möchten. Es adressiert sowohl die klinische Praxis als auch edukative Aspekte der Versorgung. Für Ärzte in der Primärversorgung bietet die Weiterbildung die Möglichkeit, den Umgang mit komplexen Wundsituationen zu vertiefen und zudem die interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken – nicht zuletzt, um Barrieren zwischen den Gesundheitsberufen abzubauen und ein gemeinsames Verständnis für personenzentrierte Versorgung zu entwickeln.

Wie können niedergelassene Ärzte mit Wundmanagern kooperieren?

Mein Rat an Ärzte: Nutzen Sie die Expertise von spezialisierten Wundmanagern als wertvolle Ergänzung zur ärztlichen Behandlung. Eine transprofessionelle Zusammenarbeit eröffnet die Möglichkeit, komplexe Wundsituationen ganzheitlich zu adressieren – von der Ursachenanalyse über die Auswahl geeigneter Therapien bis hin zur personenzentrierten Beratung. Dabei wird der Heilungsverlauf nicht nur kontinuierlich beobachtet und die Wundversorgung optimiert, sondern auch Betroffene sowie deren Angehörige werden aktiv geschult und einbezogen. Diese enge Verzahnung der Professionen fördert die Adhärenz, da Patienten ein besseres Verständnis für den Behandlungsplan entwickeln und sich in ihrer individuellen Lebenssituation unterstützt fühlen. So kann die Versorgungsqualität nachhaltig gesteigert werden.

Wie kann die Schulung von Angehörigen abgedeckt werden?

Angehörige sind oft maßgeblich an der täglichen Wundversorgung beteiligt. Ihre Schulung – sowohl zu praktischen Aspekten wie Verbandwechseln als auch zu Hygienefragen und Frühzeichen von Komplikationen – ist ein integraler Bestandteil eines guten Wundmanagements. Für eine noch bessere Unterstützung bieten wir sogar ein niederschwelliges Basismodul zur Wundversorgung an, das Angehörige absolvieren können, um sich gezielt Wissen und Sicherheit im Umgang mit Wundsituationen anzueignen.

Wie sieht es mit der Erstattung von professionellen Wundmanagement-Leistungen aus?

Derzeit ist die Vergütung spezialisierter Wundmanagement-Leistungen in Österreich uneinheitlich geregelt. Während im stationären Bereich bestimmte Leistungen abgedeckt sind, besteht im niedergelassenen oder mobilen Bereich ein erheblicher Mangel an strukturierten Erstattungsmodellen. Patienten müssen daher oftmals privat für die Versorgung aufkommen, weil die Leistungen von Wundmanagern bislang gar nicht und jene von Ärzten nicht leistungsgerecht über die Sozialversicherungsträger abgedeckt werden. Diese Versorgungslücke erschwert nicht nur die flächendeckende Etablierung eines professionellen Wundmanagements, sondern wirkt sich auch direkt auf die Versorgungsqualität aus.

Wie sieht es mit dem Narbenmanagement aus?

Das Narbenmanagement stellt einen wichtigen Bestandteil der Tätigkeit dar. Es umfasst präventive und therapeutische Maßnahmen zur Förderung eines funktionell und ästhetisch günstigen Heilungsverlaufs. Gerade bei akuten Erkrankungen wie malignen Tumoren, die häufig jüngere Menschen betreffen oder Wunden in exponierten Körperbereichen wie dem Gesicht hinterlassen, ist die begleitende Unterstützung besonders relevant.

Ist das Narbenmanagement Teil der Ausbildung zum Wundmanager?

Ja, im Certificate Program an der Universität für Weiterbildung Krems wird das Thema im Sinne des präventiven Charakters praxisnah vermittelt. In modernen Weiterbildungscurricula ist Narbenmanagement integrativ verankert und wird nicht nur als nachgelagerter Prozess betrachtet, sondern als Teil eines umfassenden Verständnisses von Wundheilung und Geweberegeneration. Therapeutische Maßnahmen des Narbenmanagements werden hingegen erst im Rahmen des vertiefenden akademischen Expertenprogramms umfassend behandelt.

Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz im Wundmanagement? Wird sie bereits genutzt?

Künstliche Intelligenz ist im Wundmanagement ein dynamisch wachsendes Feld. Aktuelle Anwendungen reichen von der bildbasierten Wundanalyse – etwa für präzise Flächen-, Tiefen- und Volumenmessungen – über die Analyse des Mikrobioms bis hin zur automatischen Verlaufsdokumentation. Zudem unterstützen KI-Systeme die diagnostische Entscheidungsfindung, indem sie individuell abgestimmte, leitlinienbasierte Therapieempfehlungen generieren. Die flächendeckende Integration solcher Technologien steht jedoch noch am Anfang und erfordert eine systematische Evaluierung ihrer Wirksamkeit, Sicherheit und Praktikabilität.

Wo sehen Sie das Wundmanagement in zehn Jahren?

In zehn Jahren sollte Wundmanagement als integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung etabliert sein – getragen von transprofessionellen Netzwerken, die einen nahtlosen Übergang zwischen mobilem, ambulantem und stationärem Bereich ermöglichen und einen personenzentrierten Ansatz in den Mittelpunkt stellen. Digitale Tools und KI werden diese Prozesse sinnvoll unterstützen, können jedoch die zentrale Rolle der fachlich hochqualifizierten Wundmanager nicht ersetzen. Ihre Beziehungsarbeit mit Patienten und Angehörigen ist die Grundlage für Adhärenz – nur wenn Vertrauen, Verständnis und Motivation wachsen, können Therapiepläne auch im Alltag umgesetzt werden, ohne Drehtüreffekt zwischen Versorgungseinrichtungen.

Ebenso zentral ist, dass die Gesundheitsberufe für ihre wertvolle Arbeit fair und angemessen finanziell abgegolten werden – damit wir gemeinsam die Rahmenbedingungen schaffen können, um uns dafür einzusetzen, dass Österreich nicht länger zu den Ländern mit den höchsten Amputationsraten weltweit zählt. Wir sind es den Betroffenen und ihren Familien schuldig, alles für eine bessere Versorgung zu tun.

bw


FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/MANG TENG
Zurück
Zurück

Digitale Gesundheitsanwendungen: Was kommt auf Ärzte zu?

Weiter
Weiter

Ausstellung „Architektur und Medizin“ / Josephinum Wien