Epilepsie beim geriatrischen Patienten

 

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns. Ein Drittel aller Epilepsien treten nach dem 60. Lebensjahr auf. Epilepsie fördernde Erkrankungen nehmen im Alter zu (Schlaganfälle, Gehirnblutungen, Tumore/Tumormetastasen im Gehirn, Demenzen). Mit steigender Lebenserwartung steigt die Häufigkeit der Altersepilepsie.


AUTORIN:

Dr. Sabine Urbanits, MSc, MA

Neurologin, Geriaterin, MS-Expertin,
www.neurologin-in-moedling.at


 

Begriffsbestimmung

Epilepsie: Epilepsie ist eine vorübergehende Fehlfunktion des Gehirns mit unterschiedlichen Symptomen. Allen Funktionen des Körpers sind im Gehirn bestimmten Nervenzellgruppen zugeordnet. Bei einem epileptischen Anfall werden entsprechend der Gehirnregion verschiedene Funktionsgebiete gestört. Es kommt zur Beeinträchtigung des Bewusstseins, der Bewegung (Krämpfe) oder der Wahrnehmung.

Geriatrie: In allen Gebieten der Medizin wächst der Anteil an alten Menschen. Vorerkrankungen, höherer Medikamentenbedarf und veränderte Entgiftungsmechanismen bedingen ein neues Fachgebiet. Die Geriatrie ist die medizinische Spezialdisziplin für körperliche, geistige, funktionale und soziale Aspekte in der Versorgung von akuten und chronischen Krankheiten.



Erscheinungsbilder 

Anfälle bei älteren Menschen werden häufig spät erkannt. Die Rate an Fehldiagnosen beim erstmaligen Auftreten ist hoch. Im fortgeschrittenen Alter treten Anfälle in Form nicht bewusst erlebter Episoden mit Sprachstörungen oder anderen psychiatrischen Störungen auf. Patienten selbst können aufgrund von Beeinträchtigungen durch die zugrunde liegende Erkrankung wie Schlaganfall oder Demenz keine klare Beschreibung ihrer Symptome während des Anfalls geben. Die Diagnosestellung ist bei fehlender Beobachtung durch Dritte (Fremdanamnese) herausfordernd. Epilepsie stellt ältere Menschen vor psychosoziale Herausforderungen: Eine Einschränkung der Selbstständigkeit ist möglich. Menschen dürfen nach einer erstmals aufgetretenen Epilepsie je nach Landesgesetzgebung für mindestens drei bis sechs Monate kein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr lenken. Auch Angst vor Stürzen und das Risiko von Verletzungen während eines epileptischen Anfalls sind erhöht. 


Abklärung und Differenzialdiagnosen

Bei Anfallsverdacht muss akut eine Versorgung im Krankenhaus stattfinden: Beschreibung der Situation durch beobachtende Personen, EKG, Schädel-CT oder Schädel-MRT (Ausschluss Gehirnblutungen, Schlaganfälle und ältere Gefäßschäden am Gehirn), Blutabnahme (Untersuchung Elektrolytveränderung, Entzündungszeichen, übermäßiger Konsum von Alkohol, Erhöhung oder Erniedrigung des Blutzuckerspiegels, zu geringe Trinkmenge). Zeitnahe wird ein Elektroenzephalogramm (EEG) durchgeführt. Die Patienten sollen mindestens eine Nacht im Krankenhaus zur Beobachtung bleiben, die Anfallswahrscheinlichkeit ist innerhalb der ersten 24 Stunden hoch. Bei unauffälligem EEG kann auch ein EEG unter Erhöhung des Epilepsierisikos im Krankenhaus durchgeführt werden. Das wäre ein Schlafentzug: Der Patient darf ab Mitternacht nicht mehr schlafen, ist am Folgetag weiter wach, isst dann zu Mittag. Danach bekommt er eine EEG-Untersuchung. Bei unauffälligen Befundergebnissen müssen alternative Erkrankungen (Herz-Kreislauf-System, Synkopen, psychiatrische Symptome im Rahmen) abgeklärt werden. Es ist wichtig, die täglichen Medikamenteneinnahmen auf Unregelmäßigkeiten oder Überdosierungen, aber auch auf Epilepsie fördernde Nebenwirkung zu überprüfen. 

 
 

Take-home Message

• Epileptische Anfälle nehmen im Alter zu.

• Beim ersten Anfall ist eine akute Abklärung im Krankenhaus mit 24-stündiger Observanz im Krankenhaus notwendig. 

• Da Epilepsien des Alters oft keine typischen epileptischen Bewegungen zeigen, werden sie leicht übersehen. 

• Eine apparative Diagnostik mit Blutabnahme, Elektroenzephalographie (EEG), Computertomographie oder MRT und Elektrokardiographie (EKG) sind notwendig. 

• Eine antiepileptische Medikation muss mit dem Patienten besprochen und eingeleitet werden. Auslösende oder provozierende Faktoren sollten gemieden werden. 

• Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme ist ein akutes Absetzen nicht möglich (Gefahr der Anfallshäufung).

 
 

Epileptische Anfälle des geriatrischen Patienten

Im Alter finden sich auch sogenannte nonkonvulsive Anfälle, die sich nicht mit motorischen Zeichen, sondern durch Bewusstseins- oder Sprachstörungen präsentieren. Diese sind oft unterdiagnostiziert. Geriatrische Patienten sind aufgrund ihrer Vorerkrankungen oder bei Demenz schwieriger zu untersuchen. Sie versuchen, sich von den Untersuchungselektroden des EEG zu befreien, können nicht flach liegen oder sind so immobil, dass bei ihnen eine Computertomographie oder eine Magnetresonanzuntersuchung schwer durchführbar ist. Gegenanzeigen bei MRT-Untersuchungen sind Herz-, Parkinsonschrittmacher, Cochlea- oder andere nicht MR-taugliche Implantate, um dem Patienten nicht zu schaden. 

Medikamentöse Therapie 

Die medikamentöse Therapie soll das Entstehen epileptischer Anfälle unterdrücken. Manche Epilepsiemedikamente müssen langsamer aufdosiert werden als andere. Bei einmaligem Anfall ist eine langsam aufzudosierende Medikation möglich. Bei mehreren Anfällen ist eine rasch wirksame notwendig, um den Patienten umgehend vor weiteren Anfällen zu schützen. Wechselwirkungen sind zu beachten. Die Epilepsien des Alters reagieren besser auf Epilepsiemedikamente. Diese Patienten werden häufiger anfallsfrei. 

Folgende Kontrollen sind im Verlauf wichtig: 

  1. Medikamentenspiegel: ob das Medikament im Blut so hoch ist, dass der Patient geschützt ist (therapeutischer Bereich), aber nicht zu hoch ist (toxischer Bereich). 

  2. Kontrollen beim Neurologen 

  3. Abfrage von Nebenwirkungen und neu hinzugekommener Medikation 

  4. Überprüfung von Blutbild und Leberwerten 


So ist eine Reaktion auf Änderungen im Krankheitsverlauf oder Blutbild möglich. Akutes Absetzen des Epilepsiemedikamentes kann zur sofortigen Anfallshäufung führen, deshalb werden solche Medikamente langsam ausgeschlichen, d. h. mit Dosisreduktion im Verlauf langsam abgesetzt. 


Patientenaufklärung ist wichtig

Bei fieberhaften Infekten mit übermäßigem Schwitzen, bei Durchfall mit Flüssigkeitsverlust sollte auf zusätzliche Elektrolyteinnahme geachtet werden. Der Patient soll ein Schema erhalten, wie er seine Epilepsiemedikamente währenddessen erhöhen darf (gesteigerte Anfallsgefahr). Alkoholkonsum gemeinsam mit Epilepsiemedikamenten sowie Filme mit stroboskopischen Effekten (Flackerlicht) oder entsprechende Computerspiele sollten vermieden werden. Rotlicht, wie es früher zur Fotoentwicklung verwendet wurde, kann ebenfalls Anfälle provozieren. Ein regelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus ist essenziell, da Schlafentzug Anfälle auslösen kann.


FotoS: zvg, istockphoto/BeritK
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