Komplikationen verhindern
Eine frühzeitige Diagnose und die darauffolgende intensivierte Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2 können das Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen wie Sterblichkeit, Herzinfarkt und Durchblutungsstörungen deutlich verringern.
Eine neue Langzeitstudie bestätigt den nachhaltigen Nutzen einer frühen Intervention bei Diabetes auch nach über zwei Jahrzehnten.1 Die Ergebnisse untermauern die Forderung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) nach verstärkten Screening-Maßnahmen. Dazu braucht es – so wie auch hierzulande – mehr finanzielle und personelle Ressourcen. In Deutschland gibt es schätzungsweise zwei Millionen Menschen mit unentdecktem Diabetes mellitus Typ 2. „Zu viele!“, ist Univ.-Prof. Dr. Julia Szendrödi, Vizepräsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg, überzeugt.
10 % weniger Sterblichkeit
Die UKPDS-Studie (United Kingdom Prospective Diabetes Study) von 1998 zeigte an 3.867 Menschen mit Typ-2-Diabetes ein reduziertes Risiko für Folgeerkrankungen bei frühzeitiger Therapie.2 Dabei wurden zwei Gruppen miteinander verglichen: Die Kontrollgruppe wurde zunächst ausschließlich durch eine Ernährungsumstellung behandelt, wobei höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte bis zu 15 mmol/l (270 mg/dl) toleriert wurden. Die Interventionsgruppe erhielt von Anfang an eine intensive Blutzuckerbehandlung mit Medikamenten wie Sulfonylharnstoffen oder Insulin, um den Blutzuckerspiegel schnell auf unter 6 mmol/l (108 mg/dl) zu senken. Bereits nach einer Beobachtungszeit von zehn Jahren zeigte sich, dass diese intensiv behandelte Gruppe signifikante gesundheitliche Vorteile hatte: Das Risiko für diabetesbedingte Komplikationen war um 12 % gesenkt und das Risiko für Herzinfarkte sogar um 16 % reduziert.
Die aktuell erschienene Nachbeobachtungsstudie der UKPDS bestätigt nun, dass die Vorteile einer frühzeitigen Blutzuckerkontrolle auch 24 Jahre später noch nachweisbar sind. In der Gruppe, die sofort intensiv behandelt wurde, war das Risiko für sämtliche Todesursachen um 10 % verringert. Besonders bemerkenswert ist die Senkung des Herzinfarktrisikos um 17 % und des Risikos für Erkrankungen der kleinen Blutgefäße um 24 %. „Diese langfristigen positiven Effekte bleiben auch dann bestehen, wenn sich die Blutzuckerwerte der anfänglich intensiv behandelten Patienten später denen der konservativ behandelten Gruppe angleichen“, kommentiert Szendrödi. Bei Patienten, die zunächst nur durch eine Diät behandelt und später auf Medikamente umgestellt wurden, konnte kein vergleichbarer positiver Langzeiteffekt festgestellt werden.
Frauen haben höheres Risiko
Obwohl die UKPDS-Studie auf älteren Therapieansätzen basiert, verdeutlichen die Ergebnisse eindrucksvoll den Nutzen einer frühen Diagnose und sofortigen darauf abgestimmten, intensiven Therapie des Typ-2-Diabetes. Es zeigt sich, dass nicht nur die Lebenserwartung durch eine frühzeitige Intervention erhöht werden kann, sondern auch die Lebensqualität, indem das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen reduziert wird. „In Kombination mit den heutigen modernen Behandlungsoptionen und einem verbesserten Verständnis für die Bedeutung einer guten Arzt-Patienten-Kommunikation haben wir heute mehr denn je die Möglichkeit, die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes weiter zu optimieren und ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern“, so Szendrödi. Besonders wichtig ist die Studie auch im Kontext der Gendermedizin: „Frauen mit Diabetes haben ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen als Männer. Eine frühzeitige Behandlung ist bei ihnen also umso wichtiger“, gibt Szendrödi zu bedenken.
rh
Quellen:
1) Adler, Amanda I., et al. “Post-trial monitoring of a randomised controlled trial of intensive glycaemic control in type 2 diabetes extended from 10 years to 24 years (UKPDS 91).” The Lancet 2024; 404:145-155
2) UKPDS Study Group. Intensive blood-glucose control with sulphonylureas or insulin compared with conventional treatment and risk of complications in patients with type 2 diabetes (UKPDS 33). Lancet 1998; 352: 837–5
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