Mediation bei Konflikten im Gesundheitswesen
Gerichtsverfahren sollten nur eine „Last-Resort-Behandlung“ für Konflikte und Rechtsstreitigkeiten sein.
Die Lösung von Konflikten vor Gericht ist nicht ganz zu Unrecht unbeliebt, kostet sie doch im Regelfall viel Geld, Zeit und Nerven. Am Ende eines langwierigen Prozesses durch mehrere Instanzen steht dann ein richterliches Urteil. Die Nachteile einer solchen „staatlichen Konfliktlösung“ sind aber evident: Das Urteil kommt nicht von den Streitparteien selbst, die aber die „eigentlichen Experten“ zur Lösung ihres Konfliktes wären. Richter sind Rechtsexperten, haben aber meist keine
Branchenkenntnis, ihre Entscheidungen schaffen nur sehr selten nachhaltige Win-win-Situationen.
Oft ist das genaue Gegenteil der Fall: Als ungerecht empfundene Gerichtsurteile sind der Keim für weitere Konflikte. Daher sollte – wie in der Medizin auch – eine „Last-Resort-Behandlung“ nur dann eingesetzt werden, wenn alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft oder wirkungslos sind.
Vorteile der Mediation
Eine Mediation ist schneller als ein Gerichtsverfahren, weil sie meist nur wenige Sitzungen dauert, während sich Gerichtsverfahren zuweilen über Jahre ziehen können. Hohe Gerichtsgebühren und Anwaltskosten summieren sich gerade bei langen Streitigkeiten erheblich. Fast noch wichtiger ist der Vorteil der Diskretion: Während Verhandlungen vor Gericht – von wenigen Ausnahmen abgesehen – öffentlich zugänglich sind und daher in bestimmten Fällen eine Medienaufmerksamkeit an sich ziehen, laufen Mediationsverfahren vertraulich ab. Alles, was in der Mediation besprochen wird, darf von der anderen Partei nicht ohne Zustimmung weitergegeben werden, womit die Privatsphäre der beteiligten Personen geschützt und eine öffentliche Zurschaustellung des Konfliktes vermieden wird. Da der Gesundheitsbereich hier ganz besonders sensibel ist, kann das ein entscheidender Vorteil sein.
Erfahrene Vertragsgestalter bauen daher bereits in Verträge eine sogenannte „Vorschaltmediation“ ein: Bevor im Streitfall zu Gericht gegangen wird, verpflichten sich die Vertragsparteien schon vorab, zunächst eine – freiwillige – Mediation zu versuchen. Wichtig ist: Ein „Verständnis“ für die Position des anderen muss in der Mediation zunächst nicht immer vollkommenes „Einverständnis“ bedeuten. Aber wenn in einem Dialog einmal ein gemeinsames Verständnis aufgebaut wurde, ist die Chance größer, dass auch gemeinsam an einer tragfähigen Lösung gearbeitet wird. Ein guter Mediator wird nicht beratend tätig oder drängt den „Medianden“ (so heißen im Mediationsverfahren die Konfliktparteien) seine eigenen Perspektiven und Sichtweisen auf den Konfliktgegenstand auf, sondern ermutigt sie, die eigenen Standpunkte zu artikulieren, miteinander in Dialog zu treten und letztendlich selbst zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Mit anderen Worten: Der Mediator ermöglicht einen konstruktiven Dialog und hält den dafür notwendigen Resonanzraum. An die Stelle eines „Diktats vom Richterstuhl“ tritt ein Empowerment zur Selbsthilfe.
AUTOR: Univ.-Prof. DDr. Thomas Ratka, LL.M.
Lehrstuhl für Unternehmensrecht an der Universität für Weiterbildung Krems, Wissenschaftlicher Leiter des Universitätslehrganges „Medizinrecht LL.M“, Zertifizierter Mediator und Konfliktbegleiter, Mitglied des Ad_Monter Kollegiums Mediation, thomas.ratka@donau-uni.ac.at
Ablauf eines Mediationsverfahrens
Ursprünglich konzentrierte sich die Mediation vor allem auf familiäre Streitigkeiten oder komplizierte Vermögens- und Unternehmensnachfolgen. Mittlerweile erfasst sie als innovatives Konfliktlösungsmodell beispielsweise auch das Arbeits- und Wirtschaftsrecht sowie das Gesundheits- und Medizinrecht. Das Verfahren läuft dabei immer nach ähnlichen Prinzipien ab:
• Zunächst werden den Medianden die Grundsätze erklärt. Dazu gehören die absolute Vertraulichkeit, die Freiwilligkeit der Mediation und damit die Möglichkeit, das Verfahren jederzeit abzubrechen. In vielen Fällen ist es auch ratsam, bereits in diesem Stadium verbindliche Regeln zur respektvollen Kommunikation zu vereinbaren.
• Wichtig ist es auch, gleich zu Beginn ein übergeordnetes Ziel der Mediation zu definieren; ein solches kann etwa „die Verbesserung der Kommunikation und des respektvollen, patientenfreundlichen Umgangs des Pflegepersonals und der Ärzteschaft“ lauten.
• In der anschließenden Selbstklärungsphase bekommen die Medianden die Gelegenheit, ohne Unterbrechung oder destruktive Störung ihre eigene Sichtweise darzulegen. Die Beteiligten schärfen dabei ihre Eigensicht auf den Konflikt. Die andere Seite hört dabei aktiv zu und der Mediator hilft, bisher vielleicht Unverstandenes oder Ungesagtes sichtbar zu machen. Aus diesen sogenannten Ich-Botschaften werden dann gegebenenfalls die unterschiedlichen Themen des Konfliktes herausgearbeitet.
• Danach folgt die Dialogphase. Hier unterstützt der Mediator dabei, die eigenen Interessen und Bedürfnisse, die oft eigentlich hinter dem Konflikt stehen, zu erkennen, und die Medianden treten in einen unterstützten Dialog ein.
• In der folgenden Phase erarbeiten die Medianden mögliche Lösungsoptionen, ohne diese noch zu bewerten. Ein erfolgreicher Mediationsprozess endet mit einer gemeinsamen Entscheidung für die tragfähigste aller Optionen, die dann in einer Mediationsvereinbarung festgehalten wird. In den meisten Fällen empfiehlt es sich, als Abschluss ein gemeinsames „Governance-Statut“ oder ein ähnliches Dokument zu verfassen, um die Nachhaltigkeit der Vereinbarung zu gewährleisten und der Vereinbarung einen verbindlichen Charakter zu geben.
Von den „Ichs“ zum „Wir“
Das Faszinierende dabei ist, dass sich im Laufe der Mediation die gemeinsame Erkenntnis durchsetzen kann, dass beide Sichtweisen – auch wenn man sie gegenseitig nicht teilt – eine gewisse Berechtigung haben. In der Lösungsphase wird den Medianden im Idealfall klar, dass keine ihrer bisherigen Justament-Standpunkte die optimale Lösung ist, sondern dass der Schlüssel auch in etwas völlig Neuem liegen kann. Etwas Neuem, das man noch dazu gemeinsam entwickelt hat. So können Beziehungen auf ein unbelastetes Fundament gestellt und neu definiert werden. Die Mediationsvereinbarung kann auch in einem – rechtlich verbindlichen – Vergleich bestehen, was zudem schon aus diesem Grund künftige Streitigkeiten (zum selben Thema) vermeiden kann.
Auch wenn eine Mediation im Einzelfall als „zu aufwendig“ erscheinen mag: Gerade medizinrechtliche Verfahren sind oft besonders langwierig, weil sie nicht nur von juristischen Argumenten, sondern von zahlreichen Gutachten und Gegengutachten durch medizinische Sachverständige geprägt sind, und medizinrechtliche Streitigkeiten von den meisten Rechtschutzversicherungen vergleichsweise gut gedeckt sind. Das senkt die Vergleichsbereitschaft weiter und erhöht die Vehemenz, mit der einmal begonnene Gerichtsverfahren geführt werden. Eine Mediation erscheint hier vergleichsweise schnell und besonders kostengünstig. Das haben auch die Rechtsschutzversicherer entdeckt: Eine Vorschaltmediation von vielen Polizzen in bestimmten Fällen gedeckt – einfach aus dem Grund, weil eine erfolgreiche Mediation auch dem Versicherer im Ergebnis viel Geld erspart.
FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/ SEBASTIAN GORCZOWSKI, ZVG, ISTOCKPHOTO/ THITIPHAT KHUANKAEW