Miteinander Auszeit nehmen

Das präventive Angebot „Miteinander Auszeit“ (mia) in Bad Hall stärkt die psychische Gesundheit belasteter Familien. Mag. Helga Pollheimer, Leiterin von mia – Miteinander Auszeit, gibt im Gespräch Einblick in das Angebot und die Erfahrungen aus zehn Jahren erfolgreicher Arbeit.

 

Mag. Helga Pollheimer, 
Leiterin von mia –Miteinander Auszeit der pro mente Reha

mia – Miteinander Auszeit feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum ganz persönlich und welche Bedeutung hat es für die Betroffenen?

Pollheimer: Ich persönlich sehe, dass wir viel dazu beigetragen haben, dass sich das niedrigschwellige Angebot mia – Miteinander Auszeit im präventiven Bereich für Familien etabliert hat und sehr gut angenommen wird. Bei mia können sich Familien gut erholen und Abstand vom belastenden Alltag gewinnen. Das heißt, wir unterstützen dabei, neue Kraft für die Herausforderungen des Alltags zu sammeln und schweren psychischen Erkrankungen vorzubeugen. 


Welche Situationen kann man sich darunter konkret vorstellen?

Die Anlässe sind vielfältig, etwa wenn sich das Familiensystem nach einer Trennung neu finden muss. Manchmal gibt es auch einen Todesfall, bei dem wichtige Bezugspersonen verstorben sind oder pflegebedürftige Familienmitglieder belasten den Alltag. Nicht immer kann die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie optimal gelebt werden, sodass kaum noch Zeit für die Kinder bleibt. Bei uns sind die Kinder Begleitpersonen und die Erwachsenen sind die Antragsteller. Die Kinder können mitgenommen werden, weil wir einen eigenen pädagogischen Bereich haben. Sie werden bei uns auch unterrichtet. Wir können Familien mit Kindern vom 3. Geburtstag bis zum 12. Geburtstag aufnehmen.


Wie ist die Idee zu mia entstanden?

Ursprünglich entstand mia durch eine Initiative von pro mente Reha in Zusammenarbeit mit der damaligen Gebietskrankenkasse in Oberösterreich. Drei Turnusse in den Sommermonaten wurden angeboten, die Nachfrage stieg rasch. Daraufhin wurde eine Vereinbarung zwischen der ÖGK OÖ, dem Land Oberösterreich und pro mente Reha geschlossen, ab 2015 in den Ganzjahresbetrieb zu gehen. Wir haben Platz für 21 Familien. In den Sommermonaten betreuen wir bis zu 35 Kinder pro Turnus.


Wie läuft ein typischer Aufenthalt für die Familien ab?

Am Anreisetag werden die Familien in Empfang genommen. Danach erhalten die Erwachsenen in einer Begrüßungsgruppe erste Informationen zur Organisation des Aufenthalts und auch den Therapieplan für den 21-tägigen Aufenthalt. Die Kinder lernen in dieser Zeit ihre Betreuer und die Räume der Kinderbetreuung kennen. Am darauffolgenden Tag startet das pädagogische und therapeutische Programm. Die Kinder sind durchgehend in Betreuung – von Montag bis Donnerstag jeweils drei Stunden am Vormittag und drei Stunden am Nachmittag sowie am Freitagvormittag. In dieser Zeit absolvieren die Erwachsenen das therapeutische Angebot. 


Welche besonderen Herausforderungen gibt es aus Ihrer Sicht bei der Betreuung von Familien?

Herausfordernd ist es, wenn Teilnehmende mit Erwartungen anreisen, die wir nicht erfüllen können. Wir arbeiten präventiv und bieten keine intensiven Einzeltherapien an. Wenn dann Enttäuschung eintritt, zeigt sich das manchmal auch in der Gruppendynamik. Was gut gelingt, ist, dass Eltern und Kinder sich in einer neuen Umgebung anders begegnen können. Beispielsweise trägt das Angebot der Lernbetreuung dazu bei, dass diese stressige Alltagssituation wegfällt und sich neue Möglichkeiten im Umgang miteinander ergeben können. 

Wie gelingt das Zusammenspiel von psychischer Gesundheit, sozialer Unterstützung und familiären Strukturen?

Wenn Erwachsene psychisch stabil sind, wirkt sich das positiv auf die Kinder aus. Es kehrt mehr Ruhe in die Familie ein, das gegenseitige Verständnis wächst und Konflikte lösen sich oft auf. Dadurch stabilisiert sich das gesamte Familiensystem.


Wie erleben die Familien ihren Aufenthalt?

Für manche Familien ist die intensive gemeinsame Zeit zunächst eine Herausforderung, da sie es nicht gewohnt sind. Andere schätzen genau das – drei gemeinsame Mahlzeiten am Tag und das Zusammensein an den Wochenenden, ohne den Alltag organisieren zu müssen. Besonders positiv wird die räumliche Trennung vom gewohnten Umfeld hervorgehoben.

Wie werden die Familien während des Aufenthalts betreut?

Ein multiprofessionelles Team begleitet die Familien durch die gemeinsame Auszeit. Pädagogen, Therapeuten und psychosoziale Fachkräfte gestalten ein unterstützendes und abwechslungsreiches Programm. Der regelmäßige Austausch im Team stellt sicher, dass auf individuelle Bedürfnisse eingegangen werden kann.


Welche Vision haben Sie für die nächsten zehn Jahre mia?

Schön wäre es, wenn unser präventives Angebot weiterhin besteht. Idealerweise könnten Eltern und Kinder noch enger therapeutisch begleitet werden, ohne dabei den präventiven Charakter zu verlieren. Es wäre wünschenswert, wenn Angebote wie mia nicht nur als freiwillige Leistungen der Sozialversicherung gelten würden, sondern fix im Leistungskatalog verankert wären. So könnten Familien einfacher und schneller eine Bewilligung erhalten.


rh

 

DR. KARIN REITER-PRINZ, Geschäftsführerin pro mente Reha

Psychische Gesundheit beginnt früh – und sie braucht Aufmerksamkeit. Prävention bedeutet, Belastungen früh zu erkennen und seelische Widerstandskraft zu stärken. Besonders Familien und Kinder profitieren von gezielter Unterstützung. Mit dem Angebot mia – Miteinander Auszeit schafft pro mente Reha einen geschützten Rahmen, in dem Familien gemeinsam Strategien zur Bewältigung von Herausforderungen entwickeln können. Das fördert nicht nur das seelische Wohlbefinden, sondern legt auch ein starkes Fundament für eine gesunde Zukunft.


fotoS: Pro mente reha, mia/thomas hackl
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