Rasche Diagnostik von hochpathogenen Erregern
Im EU-weiten One-Health-Projekt MOBILISE wird ein hochsicheres, mobiles Labor entwickelt, in dem Proben von Menschen, Tieren und der Umwelt analysiert werden. Dadurch können Krankheitserreger rasch analysiert und Krankheitsausbrüche zeitnah an die zuständigen Behörden gemeldet werden.
Als österreichische Projektpartnerin führt die AGES umfangreiche Tests durch und erprobt die Einsatzmöglichkeiten des mobilen Labors. Dabei steht der One-Health-Ansatz im Vordergrund, der davon ausgeht, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt untereinander eng verbunden und voneinander abhängig ist. Nur wenn alle Bereiche gemeinsam betrachtet werden, können Krankheiten besser verstanden werden und die Vorbeugung sowie die Bekämpfung wird einfacher. Neun Partner aus sechs EU-Ländern sind am MOBILISE-Projekt beteiligt. Österreich ist mit der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und dem Österreichischen Institut für Technologie (AIT) vertreten. Das Projekt wird durch die Europäische Union mitfinanziert.
Erfahrung aus bisherigen Einsätzen
Nicht alle Länder und Regionen verfügen über schnelle Transportmöglichkeiten für Proben und Hochsicherheitslabore für die Diagnostik und im Krisenfall ist oft auch der räumliche Zugang zu Gebieten beschränkt. In solchen Fällen kann ein mobiles Labor, das mit modernsten Geräten und molekularbiologischen, serologischen und mikrobiologischen Techniken zur Erregerdiagnostik bestückt ist, helfen, einen Seuchenausbruch frühzeitig zu erkennen und dadurch die richtigen Behandlungs- und Bekämpfungsmaßnahmen einzuleiten. Das bedeutet: Keine Verzögerungen durch Probenversand oder bürokratische Hürden und damit ein entscheidender Vorteil bei der Eindämmung von Ausbrüchen. Mobile fahrzeuggestützte Labors wurden bereits in der Vergangenheit in Afrika, etwa im Rahmen der Ebola-, Corona- und mPox-Ausbrüche, eingesetzt. Angesichts der Größe und Unbeweglichkeit dieser zumeist bis zu 40 Tonnen schweren Labor-Trucks kamen sie aber nur selten an den eigentlichen Ort des Geschehens.
Das neue und wesentlich wendigere Labor wird im Rahmen der Projektlaufzeit umfassend erprobt. In enger Abstimmung mit den zuständigen Gesundheitsbehörden wird vonseiten der AGES überprüft, wie das MOBILISE-Labor in Österreich sinnvoll und effektiv eingesetzt werden kann. Geschultes Laborpersonal analysiert hierfür ungefährliche Testproben. Anschließend wird der gesamte Ablauf sorgfältig evaluiert, um für den Ernstfall bestmöglich gerüstet zu sein. Damit wird künftig eine schnellere Reaktion auf Ausbrüche möglich. Durch das mobile Labor können künftig Proben vor Ort analysiert werden, was die Reaktionszeit erheblich verkürzt und auch die Gesundheitsüberwachung verbessert.
Das rollende Labor soll im Ernstfall schnelle Reaktion ermöglichen
„Mobilisierung“ von Expertise
Im Mittelpunkt steht ein rund elf Tonnen schwerer und neun Meter langer Lkw, der mit den Kapazitäten eines Labors der biologischen Sicherheitsstufe 3 ausgestattet ist. Für rasche Laborergebnisse werden Schnelltests für West-Nil-Virus oder Krim-Kongo-hämorrhagisches Fiebervirus entwickelt, die Ergebnisse in Minuten liefern können. Zudem soll es die Möglichkeit einer Gesamtgenomsequenzierung geben, wobei Laboranalytiker vor Ort über eine Onlineplattform auch bei der Bewertung der Ergebnisse von internationalen Experten unterstützt werden können. Solaranlagen auf dem Lkw sollen den autarken Einsatz diagnostischer Geräte sowie einen energieeffizienten Betrieb ermöglichen. Der Prototyp wird im Rahmen von Feldeinsätzen von nationalen Behörden und Ersthelfern in Österreich, Deutschland, Griechenland und Ostafrika getestet. Die AGES erprobte die Einsatzmöglichkeiten des mobilen Labors erst kürzlich für drei Wochen am AGES-Standort Mödling.
Das MOBILISE-Projekt wird vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) geleitet und bündelt die Expertise von Wissenschaftlern und Trainern, um reibungslose Abläufe vor Ort sicherzustellen. Lokale Laborfachkräfte werden so etwa in die komplexen Protokolle des mobilen Labors eingewiesen. „Eines der Ziele dieses Projekts ist es, ein Team von Experten aufzubauen, das das MOBILISE-Labor in verschiedenen Teilen Europas betreiben kann“, erklärt Ayrse Melo Martins, eine der leitenden Trainerinnen des BNITM.
Wichtig ist den Forschern und Experten auch die Einbindung lokaler Akteure über die Laborarbeit hinaus, die ebenfalls über die Funktionen des Labors sowie wichtige Entscheidungsinstrumente wie das Decision Support System (DSS)-Dashboard Bescheid wissen müssen. Dieses visuelle Dashboard soll die Kommunikation zwischen den Akteuren verbessern und koordinierte Maßnahmen im Ernstfall unterstützen. Österreich war nur die erste Station. Das mobile Labor reiste anschließend nach Deutschland und Griechenland weiter, bevor es nach Tansania geht. Jede Mission dient dazu, die diagnostische Fähigkeiten unter unterschiedlichen Bedingungen zu prüfen, Systeme weiterzuentwickeln, Daten zu sammeln und Rückmeldungen von Stakeholdern einzuholen – alles entscheidend für eine spätere Skalierung des Projekts in Europa und Afrika.
Ernstfall in Österreich erprobt
Im Mai nahmen geschulte Fachkräfte und nationale Behörden an einem simulierten Ausbruchsszenario teil, das die Notfallreaktionsfähigkeit auf die Probe stellte. Das Szenario drehte sich um einen Landwirt, der von einer Hyalomma-Zecke gebissen wurde und Symptome entwickelte. Zeckenproben vom Fundort wurden zur Analyse an die AGES geschickt, während simulierte Blutproben das Vorhandensein des Krim-Kongo-hamorrhagischen Fiebers (CCHFV) bestätigten. Daraufhin wurden das Gesundheitsministerium und die zuständigen öffentlichen Gesundheitsbehörden alarmiert, um die Reaktionsprotokolle einzuleiten. Das MOBILISE-Labor wurde auf den betroffenen Hof verlegt, um umfassende Tests an menschlichen Kontaktpersonen sowie Rindern durchzuführen. Zusätzlich wurden weitere Zeckenproben von umliegenden Feldern gesammelt.
Alle Daten wurden im Labor-Informations-Management-System (LIMS) dokumentiert. Das DSS-Dashboard ermöglichte in Echtzeit die Kommunikation und strategische Koordination zwischen den wichtigsten Beteiligten.
Das Hauptziel dieser Übung bestand darin, die Einsatzbereitschaft des mobilen Labors zu evaluieren, seine diagnostischen Fähigkeiten im lokalen Kontext zu testen und Kommunikations- und Reaktionsprotokolle für zukünftige Ausbrüche zu optimieren.
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fotoS: AGES/Hlous