Wertsicherung bei Mieten: Betrifft OGH-Urteil auch Ärzte?

Die Entscheidung des OGH vom 30. Juli dieses Jahres, dass die gängigen Klauseln zur Wertsicherung in Mietverträgen die Vermieter vor inflationsbedingten Kaufkraftverlusten schützen sollen grundsätzlich zulässig sind, hat hohe Wellen geschlagen.

 

„Eine Erhöhung der Miete wegen Inflation setzt immer eine entsprechende vertragliche

Vereinbarung voraus.“

Dr. Leonhard Göbel
Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer

Frühere Urteile des OGH dazu haben anderes vermuten lassen. Im Jahr 2023 prüfte etwa die oberste heimische Instanz in Zivilsachen mehrere Wertsicherungsvereinbarungen und kam zum Schluss, dass diese nicht im Sinne der Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) und daher unwirksam wären. 


Mieterhöhungen rückfodern?

Konkret entschied der OGH damals unter anderem, dass Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern unwirksam wären, wenn bei kundenfeindlichster Auslegung bereits in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Mieterhöhung eintreten könnte. Zulässig wären sie nur dann, wenn sie zwischen Vermieter und Mieter im Mietvertrag im Einzelnen ausgehandelt wären. 

Vor dem Urteil von Ende Juli machten sich gewerbliche Vermieter also berechtigte Sorgen, dass abertausende Mieter Beträge, die infolge von Wertanpassungen bezahlt wurden, zurückfordern könnten. Derartige Mieterhöhungen müssten nämlich - nach vorherrschender Meinung bis zu 30 Jahre rückwirkend – von den Vermietern zurückerstattet werden. Zwei Immobilienunternehmen beantragten infolgedessen vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Aufhebung der einschlägigen KSchG-Bestimmung. Dieser wies den Gesetzesprüfungsantrag als unbegründet ab. Der VfGH stellte zwar fest, dass § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG in das Eigentumsrecht des Vermieters eingreift. Diese Regelung diene aber legitimen, im öffentlichen Interesse liegenden Zielen des Verbraucherschutzes und sei auch nicht unverhältnismäßig, wie die Entscheidung begründet wurde. 


Schwächere Stellung des Verbrauchers

Ein Vermieter bzw. Unternehmer habe grundsätzlich die Möglichkeit, die Preisentwicklung innerhalb der nächsten beiden Monate nach Vertragsabschluss vorherzusehen. Sein Wertsicherungsinteresse sei daher für diesen Zeitraum geringer zu gewichten als das Interesse der Konsumenten, in diesem Zeitraum keinen höheren Preis zahlen zu müssen. Es sei auch nicht verfassungswidrig, dass eine verbotene Wertsicherungsklausel zur Gänze unwirksam werde. Diese Rechtsfolge entspreche nämlich dem Ziel, Unternehmer vor der Verwendung solcher Klauseln abzuhalten, und sei durch die typischerweise schwächere Stellung des Verbrauchers bei den Vertragsverhandlungen gerechtfertigt, begründete der VfGH sein Erkenntnis.

Die Mietervereinigung wies nach der vom VfGH festgestellten Verfassungsmäßigkeit darauf hin, dass sich der OGH als Zivilinstanz in seinen früheren Entscheidungen mit Verbandsklagen auseinanderzusetzen hatte und daher das Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung anwenden musste. „Geprüft wurde also nicht, ob die Klausel in einem konkreten Vertragsverhältnis zulässig ist, sondern im allgemeinen Rechtsverkehr“, hieß es in einer Stellungnahme. 

Nun entschied der OGH in einem Individualverfahren – also ein konkretes Mietverhältnis betreffend – anders. Wertsicherungsklauseln seien auch dann wirksam, wenn es zu einer Mieterhöhung innerhalb der ersten zwei Monate kommen könne. Während Eigentümer bzw. deren Vertreterorganisationen die neueste OGH-Entscheidung zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG mit großer Zustimmung zur Kenntnis nahmen, sorgte sie unter vielen Mietern für Verunsicherung. 

Hauptmietzins darf nicht überschritten werden

Lassen sich nun Rückschlüsse auf andere Mietverträge ziehen? Und sind Ärzte als Mieter von Praxisflächen in irgendeiner Weise betroffen? Laut Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer, setzt eine Erhöhung der Miete wegen Inflation immer eine entsprechende vertragliche Vereinbarung voraus. „Liegt diese wirksam vor und fällt die betreffende Ordinationsfläche in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetz, was etwa bei Altbauten zutrifft, muss die Erhöhung vom Vermieter rechtzeitig bekannt gegeben werden“, erklärt er. Laut § 16 Abs 8 MRG sind Wertsicherungsvereinbarungen außerdem nur insoweit wirksam, als der gesetzlich höchstzulässige gedeckelte Hauptmietzins nicht überschritten wird. 

Auch nach der neuesten OGH-Entscheidung seien bei Verbraucherverträgen außerdem die Bestimmungen des KSchG einzuhalten. Die Mietervereinigung konkretisiert: „Die Wertsicherungsklausel ist wirksam, wenn im Mietvertrag eine transparente und nachvollziehbare Formulierung vorhanden ist, wonach der Mietzins an die Inflationsrate angepasst werden darf“, so Göbel.

Das KSchG mit seinen Anforderungen an klare, verständliche Klauseln (Transparenzgebot) könne auch auf Mietverträge mit (Jung-)Ärzten anwendbar sein, nämlich bei Vorliegen eines sogenannten Gründungsgeschäfts. Das ist laut Göbel dann der Fall, wenn die Anmietung durch den Arzt vor erstmaliger Eröffnung seines Betriebs, also seiner Praxis erfolgt. Der Arzt gelte dann nämlich noch als Verbraucher. Bei einem späteren Standortwechsel dagegen komme dem Arzt das KSchG nicht mehr zugute.

Für die genaue Höhe der Anpassung wird in der Regel der Verbraucherpreisindex vereinbart, der von der Statistik Austria verlautbart wird. Die genaue Höhe ergibt sich aus dem Ausmaß der Indexänderung. „Nicht selten wird vereinbart, dass die Erhöhung immer nur im Jänner jeden Jahres oder erst dann erfolgt, wenn eine Schwelle überschritten wird. Gängig wären etwa fünf Prozent“, so Göbel abschließend.


pb


foto: zvg, istockphoto/designer491, istockphoto/Fokusiert
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